Das französische Entwicklerstudio Ivory Tower hat schon mit dem 2014 erschienenen The Crew Erfahrung im Genre der Rennspiele gesammelt. Mit The Crew 2 ist kürzlich der Nachfolger für PC, PS4 und Xbox One erschienen. Wieder geht’s mit Vollgas quer durch die USA, zum Fuhrpark gesellen sich jetzt aber auch Boote und Flugzeuge dazu. Nitro-Boost oder Fehlzündung für die Serie?
Schon das Evangelium nach Bits & Bytes besagt: Am Anfang war die Ladezeit. Und die ist im Fall von The Crew 2 lang. Hat man sie ausgesessen, startet das Spiel direkt in die Karriere, wo der eigene Fahrer ausgesucht wird. Zwar hat man die Wahl zwischen einigen vorgefertigten männlichen und weiblichen Charakteren, weitere Anpassungsmöglichkeiten gibt es aber nicht. Gleich im ersten Rennen macht sich die anfängliche Wartezeit aber schon bezahlt – gestartet wird mit einem Straßenrennen, das nahtlos in ein Bootsrennen übergeht und am Steuer eines Flugzeugs endet. Man kann The Crew 2 nicht vorhalten, dass es sich lange mit den gebotenen Möglichkeiten hinterm Berg hält und das ist gut, denn es weckt Lust auf mehr.
Dieses „mehr“ entfaltet sich dann im Laufe der Karriere, wo jede Aufgabe einer von vier Klassen zugeordnet werden kann: Street Racing, Pro Racing, Offroad und Freestyle. Nach einem Tutorial-Einführungsrennen in der Zentrale der jeweiligen Rennklasse werden die entsprechenden Aufgaben freigeschaltet. Anfangs sind das überwiegend noch klassische Rennen, mit höherem Popularitätsrang kommen aber auch neue Disziplinen wie Drag Race und neue Fahrzeugklassen wie Formel-1-Wagen und Monstertrucks dazu.
Popularitätsrang? Ja, denn Follower sind die Erfahrungspunkte der Gegenwart. Egal ob gute Rennplatzierungen, weite Sprünge mit dem Fahrzeug oder riskante Überholmanöver mitten in der Stadt – das In-Game-Internet findet’s toll und belohnt den Spieler mit mehr Followern, was zu einem höheren Popularitätsrang führt. Wer das schon absurd findet, sollte die Gesprächslautstärke während der gesamten Karriere besser von Beginn an komplett auf Null stellen. Nur so viel: Das Voice Acting rangiert im unteren Durchschnitt und geht noch, inhaltlich sind die Weisheiten der Fahrer aber wohlwollend ausgedrückt auf Trash-Film Niveau.
Neben Followern und dem obligatorischen Geld gibt es als Belohnung für bestandene Aufgaben auch zufällige Tuning-Teile für die eigenen Fahrzeuge. Um die immer breiter gefächerten Aufgaben meistern zu können, müssen diese Tuning-Teile in der Werkstatt am Fahrzeug angebracht werden – das verbessert je nach Wert des Teils die Leistungsstufe des Fahrzeugs. Das Tuning ist angenehm simpel gehalten und erfordert keine abgeschlossene Lehre als KFZ-Mechaniker, manchmal aber unnötig kompliziertes Wühlen im Menü. Eine Option, um per Knopfdruck die besten verfügbaren Teile am aktuell gewählten Fahrzeug anzubringen, fehlt leider. Will man ein ganz bestimmtes Tuning-Teil erhalten, kann es durch den Zufallsfaktor passieren, dass Aufgaben wiederholt werden müssen, bis das gewünschte Teil als Belohnung vergeben wird. Im normalen Schwierigkeitsmodus gibt es aber keinen Punkt, an dem ein Weiterkommen ohne Grinding unmöglich ist.
Der Schwierigkeitsgrad in The Crew 2 ist gut ausgeglichen, einzig das Gummiband-Verhalten der KI kann manchmal frustrieren. Egal wie gut eine Strecke gefahren wird, die KI ist immer nur wenige Sekunden hinterher und so kann es passieren, dass ein Fahrfehler am Ende eines perfekt gefahrenen längeren Rennens plötzlich den letzten Platz bedeutet. Umgekehrt ist es dadurch aber immer möglich, ein Rennen auch bei weiterem Zurückliegen noch zu drehen, weil die KI nie unerreichbar weit vorausfährt.
Die Steuerung der einzelnen Fahrzeuge ist angenehm arcadig gehalten. Zwar können Details angepasst oder die Schaltung manuell geregelt werden; wer möchte, kann aber auch einfach munter drauflosfahren. Sogar die Flugzeuge lassen sich nach kurzer Eingewöhnungsphase präzise steuern. Fahrfehler sind aber leider nicht immer dem eigenen Verhalten geschuldet – gerade bei den Offroad-Rennen können kleine, schwache Bäumchen sich plötzlich verhalten, als bestünden sie aus Beton und das eigene Fahrzeug bei einer Kollision abrupt zum Stillstand bringen. Egal ob auf vier oder zwei Rädern oder im Flugzeug – das Fahrgefühl in The Crew 2 ist durchwegs gut, nur die Kombination aus Booten und höheren Wellen wirkt sich eigenartig schwach auf das Lenkverhalten aus.
Mit den USA als Kulisse bietet The Crew 2 viele abwechslungsreiche Schauplätze: von den Häuserschluchten in New York bis zu den Weiten des Grand Canyon ist für jedes Fahrzeug der richtige Einsatzort vorhanden. Grafisch läuft das Spiel angenehm flüssig und die schönen Panoramen laden nicht nur direkt zur Verwendung des integrierten Fotomodus ein, sondern lassen auch die manchmal spärlich animierten Gebiete in den größeren Städten vergessen.
The Crew 2 bietet extrem viel Potenzial, nutzt es aber (noch) nicht ideal. Zwar setzt das Spiel eine permanente Internetverbindung voraus, direkte Rennen gegen andere Spieler sind im Moment aber nicht möglich – ein entsprechendes Update soll im Herbst nachgereicht werden. Aktuell beschränkt sich der Multiplayermodus auf gleichzeitigen Co-Op mit Freunden oder einzelne Herausforderungen, bei denen es z.B. die Bestzeiten von anderen zu unterbieten gilt. Der nahtlose Übergang zwischen Fahrzeugen, Booten und Flugzeugen ist sehr gut umgesetzt, wird aber in den Rennen viel zu selten eingesetzt.
Trotz dieser Kritikpunkte macht es einfach Spaß, frei durch die USA zu cruisen und jederzeit ohne lange Unterbrechungen das Fortbewegungsmittel wechseln zu können (dafür lohnt sich die längere Ladezeit zu Beginn des Spiels auf jeden Fall). Mit der Harley und klassischem Rock im Ohr von New York nach Los Angeles? Loopings mit dem Flugzeug über dem Grand Canyon? Mit dem Monstertruck durch die Wälder? Kein Problem, richtig unterhaltsam sogar! Ivory Tower hat ein tolles Grundgerüst geschaffen – wenn es weiterhin kontinuierlich verbessert wird, kann aus The Crew 2 auch ein tolles Rennspiel werden.
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Hinweis: Ubisoft war so freundlich, uns für diesen Beitrag ein Testmuster der PS4-Version des Spiels zur Verfügung zu stellen.