Vom ambitionierten Fotografen wird die Nikon-1-Serie wegen ihrer kleinen Bildsensoren oft belächelt. Die Winzsensoren haben aber einen großen Vorteil: Ihr Crop-Faktor 2,7 verwandelt jedes gewöhnliche Teleobjektiv in eine langbrennweitige Superlinse. Und damit sind sie als Zweitkamera auch für DSLR-Fotografen interessant.
Die Nikon-1-Serie
Die Kameras der Nikon-1-Serie sind spiegellose Systemkameras mit Bildsensoren im CX-Format. Ihr Sensor ist gerade einmal 13,2 x 8 Millimeter groß. Im Vergleich mit dem Vollformat ergibt sich dadurch ein Crop-Faktor von 2,7. Ein 100-Millimeter-Objektiv an der Nikon 1 hat also einen Bildwinkel, der einer kleinbildäquivalenten Brennweite von 270 Millimetern entspricht. Wir haben für diesen Artikel mit der Nikon 1 J5 getestet, das Gehäuse kostet derzeit 340 Euro. Die Einstiegsmodelle der Nikon-1-Serie gibt es schon für rund 200 Euro. In einer ähnlichen Preislage befindet sich auch der Bajonettadapter FT1 (220 Euro) mit dem man Nikon DSLR-Objektive mit F-Bajonett an diese Kameras anschließen kann. Verglichen mit den Summen, die für echte Superteleobjektive aufgerufen werden, ist ein Zweit-Body dieser Klasse also ein echtes Schnäppchen. Vorhandene Objektivfunktionen wie Blendenübertragung und Autofokus bleiben dabei selbstverständlich erhalten. Einzige Einschränkung: Die Nikon 1 J5 verwendet zum automatischen Scharfstellen ausschließlich das mittlere AF-Messfeld.
Man verzichtet bei einer solchen Lösung auf Sensorfläche und gewinnt dabei Brennweite. Unter Normalbedingungen sind auch mit dem kleinen CX-Sensor gute Bildergebnisse möglich. Gravierendere Unterschiede sind bei schlechten Lichtbedingungen zu erwarten, wo ein kleiner Sensor Nachteile hat.

Kameras und Kompatibilität
Die Nikon 1 J5 ist das neueste Modell aus der Nikon-1-Serie. Es handelt sich um eine sehr kompakte spiegellose Systemkamera. Ihre Auflösung ist mit 20 Megapixel in Relation zur Sensorfläche sehr hoch. Das Gehäuse ist kaum größer als eine Spielkarte und mit einem klappbaren Touch-Display und klassischen Bedienelementen ausgestattet. Die Nikon 1 J5 hat eine Fokuslupe, die beim präzisen manuellen Fokussieren sehr nützlich ist. Moderne Objektive muss man dafür auf den Fokusmodus M stellen. Mit der Fokuslupe lassen sich aber auch alte Objektive ohne elektrische Kontakte verwenden.
Miniaturisierung und Mechanik

Die Bilder werden auf winzigen Micro-SD Karten gespeichert. Manchen mag diese Miniaturisierung zu weit gehen, denn das Handling ist fummelig. Wenn die Micro-SD versehentlich herunterfällt, kann dies ein dauerhafter Abschied sein, weil man sie nicht wiederfindet. Durch die kleinen Abmessungen und die leichte Bauweise ist in Verbindung mit schweren Teleobjektiven Vorsicht geboten. Laut Anleitung können Objektive über 380 Gramm das Kamera-Bajonett beschädigen. Wenn man schwere Teleobjektive adaptiert, sollte man die Kamera-Objektiv-Kombi also tunlichst nicht am Kameragehäuse, sondern am Objektiv tragen. Beim Einsatz eines Statives empfiehlt es sich, entweder eine Stativschelle direkt am Objektiv nutzen, oder die Stativbohrung des Adapters zu verwenden.
Geeignete Objektive
Über den Objektivadapter FT1 kann man zwar alle Objektive mit einem F-Bajonett mechanisch anschließen, eine Kompatibilität auch moderner Nikkore mit Nikon-1-Systemkameras ist dadurch aber noch nicht automatisch gegeben. Wie immer empfiehlt es sich, die Firmware seiner Kamera auf den neuesten Stand zu bringen. Bestimmte Kameramodelle wie die Nikon 1 V1 und J1 erkennen mit der ausgelieferten Original-Firmware den Adapter nämlich nicht.

AF-S VR 4/300mm | 300 mm (~KB 810mm) ISO 400 | F 7.1 | 1/88 s
Auf der deutschen Nikon-Webseite beschreibt der Hersteller im Support-Bereich (Artikel Verwendung des Bajonettadapters FT1 mit Nikon-1-Kameras) mit welchen Einschränkungen man zu rechnen hat. Die automatische Scharfstellung funktioniert generell nur mit AF-S-Objektiven. Kurios: Wer Aufnahmen mit einer Belichungszeit von über einer Sekunde erstellen möchte, kann das nur mit 1-Nikkor-Objektiven. Nikon hat für die hauseigenen Objektive eine Kompatibilitätsliste herausgegeben, die im erwähnten Support-Artikel auch verlinkt ist. Derzeit sind dort immerhin 91 Objektive als kompatibel zu Nikon-1-Kameras gelistet. Die Bandbreite reicht vom einfachen Standardzoom (AF-S DX 18-55mm f/3.5-5.6G VR II) bis zum teuren Supertele (AF-S 800mm f/5.6E FL ED VR).
Sonderfall Nikon 1 J5
Bei der von uns getesteten Nikon 1 J5 sind allerdings zusätzliche Einschränkungen zu beachten. Es gibt nämlich eine weitere Liste mit 29 Objektiven, die zwar generell mit Nikon-1- Kameras, aber eben nicht mit der Nikon 1 J5 zusammenarbeiten. Auf dieser Ausschlußliste sind vor allem sehr langbrennweitige und teils auch hochlichtstarke Objektive (z.ˇB. AFS 400mm f/2.8D IF-ED II). Das für ein Supertelezoom eher preiswerte AF-S 200-500mm f/5.6E ED VR (Straßenpreis 1400 Euro) ist auch auf der Liste vertreten. Wenn man es trotzdem anschließt, gibt es eine Fehlermeldung per Display.
Nicht gelistete Objektive
Es gibt eine Vielzahl weiterer Objektive, die in der Kompatibilitätsliste zwar nicht auftauchen, möglicherweise aber trotzdem mit Nikon-1-Kameras zusammenarbeiten. Dazu zählen beispielsweise alle Fremdhersteller- Objektive und Exoten, die sich nur über T2- Adapter an die Nikon-1 anschließen lassen. Wir haben zu Testzwecken per T2-Adapter ein Teleskop mit ED-Optik und 600 mm Brennweite an die Nikon 1 J5 angeschlossen. Diese Kombination ist durchaus sinnvoll nutzbar. Die manuelle Scharfstellung wird durch die Fokuslupe der Nikon 1 J5 unterstützt und die Belichtungsmessung findet mittig statt. Auch an einem manuellen Balgengerät mit Makrooptik zeigen sich keine Einschränkungen. Es lohnt sich also, nicht offiziell unterstützte Kombinationen zu testen. Unser Eindruck war, dass Objektive der Kamera konkret melden müssen, wenn sie nicht mit ihr zusammenarbeiten. Ansonsten scheint es zu funktionieren.

Die richtige Aufnahmetechnik
Das Fotografieren mit Supertele-Objektiven ist technisch sehr anspruchsvoll. Durch den extrem kleinen Bildwinkel ist die Gefahr eine Aufnahme versehentlich zu verwackeln groß. Gerade bei größeren Aufnahmedistanzen können Lufttrübungen die Qualität des Fotos spürbar beeinträchtigen. Für gute Bildergebnisse sollte man bei der Aufnahme entsprechende Sorgfalt walten lassen.
Fotografieren mit Stativ
Lange Brennweiten gehören auf ein Stativ. Das empfiehlt sich auch für die Nikon 1 J5 schon mit einem 300-mm-Teleobjektiv. Der Bildstabilisator im Objektiv arbeitet zwar erstaunlich effektiv, aber 810 mm kleinbildäquivalente Brennweite sind selbst bei ausreichend Licht eben nur schwer zu bändigen. Der aufgenommene Bildausschnitt ist so klein, dass es schwierig ist, die Kamera mit starker Telewirkung über ein kleines rückwärtiges Display freihändig auf Motive zu richten und den Bildausschnitt beizubehalten. Spätestens mit einem zusätzlichen Telekonverter konnten wir zum Test auf das Stativ nicht mehr verzichten.

Neben einem soliden Stativ braucht man auch einen stabilen Stativkopf, der für lange Brennweiten geeignet ist. Den einfachen Kugelkopf sollte man zu Hause lassen, denn bereits beim Anziehen der Feststellschraube verändert sich die Ausrichtung. Bei kürzeren Brennweiten ist der Effekt vernachlässigbar, aber bei 800 mm ist selbst ein minimaler Versatz fatal. Die Kamera ist dann nicht mehr auf den gewünschten Bildausschnitt gerichtet und muss erneut ausgerichtet werden.
Kontrolliert und stressfrei fotografiert und filmt man mit einem Fluid Videoneiger. Gute Modelle sind ab 150 Euro zu haben und erlauben eine weiche ruckelfreie Bewegung. Dank der einstellbaren Friktion bleibt die Kamera nach dem Ausrichten auf das Motiv gerichtet. Wir haben mit dem Sirui VH-10 Fluid Videoneiger gearbeitet, der mit einem Straßenpreis von rund 200 Euro allerdings auch seinen Preis hat.
Fotografieren ohne Stativ
So sinnvoll ein Stativ auch ist, es geht zur Not auch ohne. Wer freihand arbeitet und die Kamera dabei gut abstützt, kommt auch so zu ordentlichen Bildergebnissen. Wir konnten mit etwas Übung und ruhiger Hand das 70-300mm AF-S Telezoom mit Bildstabilisator und kurzen Belichtungszeiten auch ohne einsetzen. Verglichen mit einem Stativ ist speziell am langen Brennweitenende natürlich mit einer höheren Ausschussquote durch Verwackeln zu rechnen.



Selbstauslöser mit Vorlaufzeit
Beim Fotografieren von einem stabilen Stativ wird der Bildstabilisator ausgeschaltet. Bei starker Telewirkung ist es sinnvoll, zwischen dem Druck auf den Auslöser und der eigentlichen Belichtung einige Sekunden verstreichen zu lassen, damit Schwingungen, hervorgerufen durch die Berührung, abklingen. An der Nikon 1 J5 kann man einen Selbstauslöser entsprechend programmieren. Nervig: Die Einstellung bleibt immer nur für ein Bild erhalten. Hier könnte Nikon nachbessern. Alternativ kann man die Kamera mit Nikons App Wireless Mobile Utility drahtlos über ein Smartphone auslösen. Sie ist kostenlos bei iTunes für Apple und im Google Play Store für Android zu erhalten. Die universelle drahtlose IF-Fernbedienung Nikon ML-L3 funktioniert leider nicht mit der Nikon 1 J5.
Sinnvolle ISO-Bereiche
Die Empfindlichkeitseinstellung der Nikon 1 J5 beginnt bei ISO 160 und endet bei ISO 12800. In der Praxis liefert der kleine 20 Megapixel Sensor bis ISO 400 eine überraschend gute Bildqualität. Sogar mit ISO 800 gelingen ordentliche Bilder, wenn man sie nicht unterbelichtet. Alles darüber hinaus ist mit Abstrichen verbunden. ISO 400 ist allerdings schon empfindlich genug, um bei Tageslicht mit kurzen Belichtungszeiten zu fotografieren.
Fazit
Kleine Kamera statt langer Linse: Mit einer Nikon 1 kann man jedes Teleobjektiv in ein Supertele verwandeln. Durch ihr geringes Gewicht und die überschaubaren Kosten spricht vieles für ein Nikon-1-Zweitgehäuse. Wer von einer DSLR umsteigt, muss aber verschiedene Einschränkungen akzeptieren.
Die Bildqualität des kleinen Sensors ist natürlich nicht auf dem Niveau größerer Sensoren. Unseres Erachtens ist der Unterschied bei normalen und mittleren Empfindlichkeiten aber vernachlässigbar gering. Beim Handling kann es je nach Aufnahmesituation gravierendere Einschränkungen geben. Die Dunkelpause des Displays nach einer Aufnahme ist zu lang, um sich bewegende Objekte wie landende Flugzeuge oder fliegende Vögel bei einer Aufnahmeserie sicher verfolgen zu können. Eine DSLR ist einer Nikon 1 J5 in solchen Fällen immer haushoch überlegen.
Der Autofokus der Nikon 1 J5 nutzt mit dem Adapter FT1 und DSRL-Objektiven zudem nur das mittlere Messfeld. In den meisten Aufnahmesituationen reicht das, bei außermittigen Motiven kann diese Einschränkung gelegentlich stören. Bei langen Brennweiten ist der Autofokus ohnehin viel zu träge, um sich rasch bewegende Motive im Nahbereich sicher einzufangen. Wir scheiterten beispielsweise daran, ein auf die Kamera zuspringendes Eichhörnchen scharf abzulichten. Schwaches Licht bringt den Autofokus ebenfalls an Grenzen.
Es hängt also von den Motiven ab, ob man mit den Teleobjektiven an der Nikon 1 erfolgreich arbeiten kann oder nicht. Wenn man die Einschränkungen des Systems berücksichtigt, dann kann man gute Bild ergebnisse erzielen. Wir konnten bei unserem Praxistest in der Natur, am Flughafen und am nächtlichen Sternenhimmel schöne Fotos schießen. Jedes dieser Bilder wäre mit einer Vollformat-DSLR und einem gewichtigen Supertele möglicherweise noch etwas besser geworden. Aber wie heißt es so schön: Die beste Kamera ist die, die man dabei hat.
Ich habe mal vor ein paar Jahren Eulen mit der Nikon V2, AF-S 300 f4.0 samt TC 1.4 und Nikon FT1 aufgenommen. Entspricht einer Brennweite von 1134 mm f5.6 .