Ich bin keine Freundin des Radfahrens. Nein, ganz im Gegenteil: Vor einem Jahr entfachte meine Liebe zum Fahrrad als Fortbewegungsmittel im Großstadtdschungel. 20 Jahre lang lebten sie getrennt voneinander, doch das Mädchen vom Land hat die Angst, verletzt zu werden, überwunden und – über Umwege – zu ihrem treuen Gefährten aus Stahl zurückgefunden. So würde Rosamunde Pilcher meine tränentreibende, durchaus abendfüllende Romanze zusammenfassen.

Fakt ist: Ich habe mich an die Idee, mich mit dem Rad fortzubewegen, langsam wieder herangefahren. Radfahren übertrumpft vollgefüllte öffentliche Verkehrsmittel in der Sommerhitze und eröffnet neue verkehrstechnische Möglichkeiten. Selbstverständlich gibt es da auch noch den gesundheitlichen Aspekt. Der spielt für mich natürlich keine Rolle.
Mein erstes richtiges Fahrrad (ohne Stützen) habe ich zur heiligen Konfirmation geschenkt bekommen. Vielen Dank, Jesus. Es war ein Mountainbike, noch dazu ein Männermodell. Darauf war ich sehr stolz. Da ich auf dem Land aufgewachsen bin, war es überhaupt kein Problem, mein Fahrrad einfach so ohne Sicherheitsmaßnahmen abzustellen. Zu dieser Zeit waren noch relativ wenig Fahrraddiebe auf den Wiesen, Schotter- und Waldwegen unterwegs.
Meine Freunde waren erstaunt, als ich angekündigt habe, dass ich in Zukunft nicht mehr im Bus, in der U-Bahn oder in der Straßenbahn schwitzen werde, sondern am Fahrrad. Die selben Freunde waren entsetzt, als ich angekündigt habe, dass ich wohl auch am Straßenverkehr teilnehmen werde.
Wenn mich jemand vor zwei Jahren gefragt hätte, ob ich mir vorstellen kann, in einer Großstadt mit dem Rad auf der Straße zu fahren, ich hätte meine Augen gerollt und mit „Nein!“ geantwortet. Und wenn, dann sicher nur mit einem Ganzkörper-Protektoren-System. Notiz an mich: einer eventuellen Geschäftsidee nachgehen.
Als Landpomeranze habe ich mich zu Beginn meiner städtischen Radfahrkarriere nur auf gekennzeichnete Radwege konzentriert. Straßen habe ich – zum Leidwesen meiner sportlichen Begleitpersonen – gemieden. Denn als verbal ausfällig werdende Autofahrerin weiß ich, dass das Mitbenützen des Fahrstreifens für RadfahrerInnen selbst, als auch für meine Karosserie, äußerst gefährlich werden kann.
Im Laufe der Zeit hat sich meine Angst gelegt und ich fahre aus Bequemlichkeit – selbstverständlich mit Helm – nun auch auf der Straße. Nur selten werde ich verbal ausfällig. Sollte das dann doch der Fall sein, passiert mir das erstaunlicherweise auf meinen geliebten Radwegen.
Das Problem: FußgängerInnen, die mitten am Radweg stehen bleiben und dort wunderschön posieren. Um auf mich aufmerksam zu machen und die dafür vorgesehene Handbewegung zur Fahrradglocke durchführen zu können, bin ich zu schnell unterwegs. Das Einzige, das mir neben einem Ausweichmanöver bleibt, ist der kurze Todesblick nach hinten. Diesen beherrsche ich mittlerweile sehr gut. Es ist wichtig, diesen Blick nur kurz aufzusetzen und ihn schnell wieder nach vorne zu richten. Mit den Augen zu Rollen empfehle ich in dieser Situation nicht.
Liebes Fahrrad, vielen Dank für die schnellen und sicheren Wege!
In Liebe, Frau Armstrong. Ohne Doping.